Wolfgang
Laurig, Martin Schütte,
Mathias
Bauer, Fred Homberg
Beurteilung von Arbeitsbedingungen
durch Mitarbeiter als Grundlage
für eine präventive und prospektive Gestaltung *)
1. Verpflichtung zur Beurteilung
von Arbeitsbedingungen
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber, durch
eine "Beurteilung
der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung
zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich
sind". Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne
dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der
Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen
der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Das Arbeitsschutzgesetz
nenn jedoch darüber hinaus in § 15 erstmalig auch Pflichten der
Beschäftigten. Danach sollen die Beschäftigten den Arbeitgeber darin
unterstützen, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit
zu gewährleisten. Es liegt demnach nahe, die
Pflichten von Arbeitgeber und Beschäftigten in einem Ansatz zur
Beurteilung von Arbeitsbedingungen zusammen zu fassen.
2. Entwicklung
eines Konzeptes zur Beurteilung
Mit
einem Betrieb der Deutschen Steinkohle AG (DSK-Saar) wurde dazu
ein Konzept entwickelt, um Arbeitsbedingungen durch Beschäftigte
beurteilen zu können. Die Ermittlung der wahrgenommenen Gefahren
erfolgte vorwiegend über kontinuierliche, graphische Rating-Skalen
mit verbal verankerten Deskriptoren. Die folgenden Ergebnisse beziehen
sich auf die Anwendung dieses Konzeptes im "Rangierbetrieb" mit
etwa 90 Beschäftigten.
3. Ergebnisse
Zwischen
den betrieblichen Funktionen und damit den zu erfüllenden Arbeitsaufgaben
zeigen sich Unterschiede der Einschätzung der Anforderungen durch
die eigene Tätigkeit nach allgemeineren arbeitswissenschaftlichen
Kategorien (Bild 1).
Bild 1: Beurteilungswerte
(10., 25., 50., 75, und 90. Perzentil)
Im
Vergleich zu den Triebfahrzeugführern ergeben sich für die Rangierleiter
in allen Kategorien höhere Werte. Ausgehend von der Hypothese eines
Zusammenhangs zwischen der Höhe der Anforderungen und der Gefährdung
sind in Bild 2 Ursachen von Gefährdungen nach der Höhe der von den
Rangierleitern empfundenen Gefahren gegenübergestellt. In Bild 2
sind nur die Ursachen von Gefährdungen dargestellt, bei denen die
Mediane für alle abgegebenen Urteile zur Gefahr oberhalb des indifferenten Bereichs weder
hoch noch gering liegen. Diese Gefahren werden von den Beschäftigten
demnach als erhöht empfunden. Diese Gefährdungen lassen sich nach
tätigkeits- und umgebungsbedingten Ursachen unterscheiden, wobei
witterungsbedingte Ursachen nur bedingt durch Maßnahmen beeinflusst
werden können (z. B. durch Schutzkleidung).
Für den typischen Umknick-Unfall (vgl. Fehltritt beim Gehen)
ergibt ein multiples Regressionsmodell ein R- Quadrat von 0,37 mit
den Einflüssen Zeitdruck und geistige Anforderungen. Zusammen
mit den witterungsbedingten Einflüssen Regen und Nebel wird ein
R-Quadrat von 0,41 oder bei winterlichen Bedingungen von 0,63
erreicht.
Bild 2: Ursachen
von durch 33 Rangierleiter als erhöht empfundene Gefahren
4. Maßnahmen
und Überprüfung
Für
diese und weitere nachgewiesene Gefährdungen stellt sich die Frage,
mit welchen Maßnahmen die Gefährdungssituation verbessert werden
kann.
Dazu
wurde eine Reihe von Einzelmaßnahmen umgesetzt, deren Wirksamkeit
in einer Nachbefragung überprüft wurden. Die Überprüfung erfolgte
mit geschlossenen Fragen nach dem Nutzen oder Ablehnung aller in
einer Liste aufgezählten Maßnahmen.
Bild
3: Beurteilung
von Maßnahmen zur Verbesserung der Gefährdungssituation
Bild 3 zeigt, dass bis auf einzelne Vorbehalte bei der Einführung
eines neuen Helms, die genannten Maßnahmen als nützlich beurteilt
wurden. In dieser Nachbefragung wurden die Mitarbeiter auch nach
ihrem Eindruck zu den persönlichen und betrieblichen Auswirkungen
insgesamt gefragt (Bild 4).
Bild
4: Bewertung der Auswirkung von Maßnahmen
5. Schlussfolgerung
Wie
die Ergebnisse der Nachbefragung zeigen, lässt sich der betriebliche
Arbeitsschutz mit der Einbindung der Erfahrung der Mitarbeiter bei
vertretbarem Aufwand vom ausschließlich präventiven Vorgehen zum
prospektiven Arbeitsschutz weiter entwickeln.
Bemerkenswert erscheint dabei, dass sich damit auch das Arbeitsergebnis
des Betriebes verbessern lässt.
Autoren :
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang
Laurig, Dr. Martin Schütte
Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund, Ardeystraße
67, 44139 Dortmund
Prof. Dr.-Ing. Mathias Bauer, Dipl.-Ing.
Fred Homberg
Deutsche Steinkohle AG Service-Center
Arbeitsschutz,
Trierer Straße 4, 66111 Saarbrücken
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*)
Kurzfassung
eines Vortrages auf dem 46. Arbeitswissenschaftlichen Kongress
in Berlin
vgl. auch: Gesellschaft
für Arbeitswissenschaft (Hrsg.): Bericht zum
46.
Arbeitswissenschaftlichen Kongress vom 15.-18. März 2000 an der
TU Berlin
S.
589-591,GfA-Press, Dortmund, 2000