Landessozialgericht Berlin
Az.: L 3 U 62/97
S 69 U 586/96
nicht rechtskräftig,
Rechtsmittelfrist bis 20. 7. 2000
Verkündet am 13. April 2000 Im Namen des Volkes!
Urteil
g e g e n
Bau-Berufsgenossenschaft Hannover,
Bezirksverwaltung Berlin,
Hildegardstraße 29/30, 10715 Berlin,
Beklagte und Berufungsbeklagte.
Der 3. Senat des Landessozialgerichts
Berlin hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. April 2000
durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht D r o b
e k , die Richterin am Landessozialgericht B r ä h l e r
und den Richter am Landessozialgericht Dr. K ä r c h e r
sowie die ehrenamtlichen Richter K r a m e r und S c h n i t z
l e i n für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers
gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Juni
1997 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander
auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber,
ob die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen einer Wirbelsäulen-Berufskrankheit
eine Verletztenrente zu gewähren hat.
Der am 13. Juni 1939 geborene
Kläger erlernte von April 1955 bis März 1958 den Beruf
eines Steinmetzes. Anschließend übte er diesen Beruf
mit wenigen Unterbrechungen durchgehend bis Juni 1970 aus. Von
Juli 1970 bis März 1972 war er als Feuerungsmaurer beschäftigt,
dann ab April 1972 bis Oktober 1972 erneut als Steinmetz und von
Oktober 1972 bis März 1978 mit kürzeren Unterbrechungen
als Versetzer. Von April 1978 bis zum Jahre 1993 übte er
wieder den Beruf eines Steinmetzes aus.
Am 1. Juni 1992 beantragte
er bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit der
Lendenwirbelsäule. Die Beklagte holte daraufhin Arbeitgeberauskünfte
vom 16., 20. und 23. Juli 1992, vom 26. September 1992 und vom
30. November 1992 ein. Auf der Grundlage dieser Auskünfte
erstattete der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten
am 18. August 1993 einen Bericht. Darin gelangte er zu der Einschätzung,
bei einer Gesamtexposition von 90 % belastender Tätigkeit
bei 21 Berufsjahren ergebe sich mit an Sicher- heit grenzender Wahrscheinlichkeit
eine gesundheitsbeeinträchtigende wirbelsäulenbelastende
Einwirkung im Sinne der Berufskrankheit der Nr. 2108 der Anlage
1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) von ca. 19 Jahren.
Am 26. September 1994 erstattete
der Facharzt für Orthopädie Priv. Doz. Dr. Sp für
das Landesinstitut für Arbeitsmedizin - Landesgewerbearzt
- ein medizinisches Sachverständigengutachten. Darin vertritt
er die Auffassung, es sei wahrscheinlich, dass die Erkrankung
der Lendenwirbelsäule durch berufliche Einwirkung entstanden
und verschlimmert sei. Neben den beruflichen Ursachen seien keine
weiteren Ursachen für die Lendenwirbel- säulenerkrankung
feststellbar. Am 21. Oktober 1994 empfahl die Gewerbe- ärztin
K, die Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers
als Berufskrank- heit der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen.
Auch der beratende Arzt der Beklagten, Prof. Dr. Sp, empfahl in
seiner Stellungnahme vom 3. März 1995 die Anerkennung einer
Berufskrankheit dieser Nummer mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
(MdE) von 20 v. H.. Am 15. Juni 1995 schlug der Facharzt für
Arbeitsmedizin Dr. Re vor, eine Prüfung der arbeitstechnischen
Voraussetzungen durch den TAD vorzunehmen. Die berufliche Verursachung
sei fraglich. Am 10. November 1995 erstatteten daraufhin im Auftrage
der Beklagten der Arzt für Orthopädie Be und der Arzt
für Chirurgie Dr. S ein medizinisches Sachverständigengutachten.
Hierin gelangten sie zu der Einschätzung, das Vorliegen einer
Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO lasse
sich nicht wahrscheinlich machen. Die von Dr. Sp gegebene Begründung
reiche nicht aus und sei medizinisch-wissenschaftlich nicht zulässig,
da alternativ zur beruflichen Exposition keine konkurrierenden
Ursachen für das Krankheitsgeschehen auch nur in Erwägung
gezogen würden. Es fehle jegliches Indiz für die Auswirkung
einer beruflichen Exposition. Hierauf gestützt lehnte die
Beklagte durch Bescheid vom 15. Januar 1996 die Gewährung
von Leistungen wegen der Folgen einer Berufs- krankheit der Nr.
2108 der Anlage 1 zur BKVO mit der Begründung ab, eine berufliche
Verursachung der festgestellten Veränderungen in der Lendenwirbelsäule
des Klägers liege weder im Sinne einer Entstehung noch einer
Verschlimmerung vor. Den Widerspruch des Klägers wies sie
durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1996, gestützt auf
die Begründung des Ausgangsbescheides, zurück.
Mit seiner am 2. August 1996
bei dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger
sein Ziel weiter verfolgt, eine Anerkennung seiner Krankheit als
Berufskrankheit und die Gewährung von Leistungen zu erhalten.
Mit Gerichts- bescheid vom 3. Juni 1997 hat das Sozialgericht nach
vorangegangener Anhörung die Klage mit der Begründung
abgewiesen, sie sei unzulässig, weil ein genaues Begehren
des Klägers nicht erkennbar sei. Gegen diesen ihm am 12.
Juni 1997 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am
14. Juli 1997 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin eingelegt.
Er meint, ihm stehe eine Rentenleistung wegen der Folgen einer
Berufskrankheit der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO zu.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Berlin vom 3. Juni 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15.
Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.
Juli 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem
1. Juni 1992 wegen der Folgen der Berufskrankheit der Nr. 2108
der Anlage 1 zur BKVO Verletztenteilrente in Höhe von 20
v. H. der Vollrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene
Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung
des Sachverhalts hat der Senat zunächst auf Anregung des
Klägers, aber von Amts wegen gemäß § 106
Sozialgerichtsgesetz (SGG), ein medizinisches Sachverständigengutachten
des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. We eingeholt,
welches dieser am 23. Februar 1998 erstattet hat. Darin ist Prof.
Dr. We zu der Einschätzung gelangt, aus orthopädischer
Sicht müsse ein kausaler Zusammenhang zwischen der beruflichen
Einwirkung und den nachgewiesenen Wirbelsäulenveränderungen
als unwahrscheinlich bezeichnet werden.
Ebenfalls
auf Grund richterlicher Beweisanordnung gemäß § 106 SGG hat am 19.
Oktober 1999 der Arzt für Orthopädie Dr. Z ein medizinisches
Sachverständigengutachten erstattet. Darin hat er die Einschätzung des
Prof. Dr. We bestätigt und ausgeführt, es fänden sich deutliche
Abnutzungserscheinungen im Bereich der Brustwirbelsäule mit
keilförmiger Deformierung sämtlicher Wirbelkörper und weiteren
Veränderungen, die einem Residualzustand eines Morbus Scheuermann
entsprächen. Diese Veränderungen seien nicht auf die berufliche
Exposition zurückzuführen und machten einen deutlichen Anteil der
Funktionsminderung der kombinierten Beweglichkeit der Brust- und
Lendenwirbelsäule aus.
Hinsichtlich der weiteren
Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug
genommen, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen
haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die nach § 151 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers
ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §
143 Abs. 1 SGG. Sie ist jedoch nicht begründet. Zwar ist
die Klage - im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts - zulässig,
doch hat sie in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide
sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht
in seinen Rechten, ihm steht kein Anspruch auf Verletztenteilrente
wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage
1 zur BKVO zu.
Gemäß
§§ 212, 214 Abs. 3 des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) sind auf
den vorliegenden Rechtsstreit die Vorschriften der
Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden, denn der Kläger macht den
Eintritt des Versicherungsfalles sowie einen Anspruch auf
Verletztenteilrente schon für Zeiten vor dem Inkrafttreten des SGB VII
(1. Januar 1997) geltend. Gemäß § 547 RVO besteht ein Anspruch auf
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere auf
Verletztenrente, nach Eintritt eines Arbeitsunfalls. Dabei gilt als
Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO).
Berufskrankheiten sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche
die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des
Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in §§
539, 540 und 543 bis 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet. Dies setzt
voraus, dass eine Krankheit vorliegt, die in der zum Zeitpunkt des
Eintritts des Versicherungsfalles (§ 551 Abs. 3 RVO) geltenden BKVO
aufgeführt ist. Die Gewährung von Verletztenrente setzt darüber hinaus
ein bestimmtes Ausmaß der berufs- bedingten Schädigung voraus. Als
Verletztenrente wird der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grad der
Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Versicherten entspricht (§ 581
Abs. 1 Nr. 2 RVO), solange in Folge der Berufskrankheit die
Erwerbsfähigkeit des Versicherten um wenigstens ein Fünftel (20 v. H.)
gemindert ist.
In der Nr. 2108 der Anlage
1 zur BKVO wird als Berufskrankheit im Sinne der Unfallversicherung
bezeichnet: „bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule
durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder
durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung,
die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die
für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können“.
Erforderlich ist hiernach zunächst das Vorliegen einer bandscheibenbedingten
Erkrankung der LWS, die wie auch die berufliche Belastung nachgewiesen
sein muss. Hinsichtlich der beruflichen Exposition wird in dem
vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zur Nummer
2108 herausgegebenen Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
(Bundesarbeitsblatt 3/1993 Seite 50) eine mindestens 10-jährige
Tätigkeit mit Heben oder Tragen schwerer Lasten oder Arbeiten
in extremer Rumpfbeugehaltung gefordert. Dabei werden als schwere
Lasten bei Männern in der Regel Lastgewichte von 15 kg (Alter
von 15 bis 17 Jahren), 25 kg (Alter von 18 bis 39 Jahren) bzw.
20 kg (Alter ab 40 Jahren) und mehr angesehen. Die Lasten müssen
mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit
in der über- wiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehoben oder
getragen worden sein. Unter Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
werden Tätigkeiten in Arbeits- räumen, die niedriger als
100 cm sind (z. B. im Untertagebergbau) sowie Arbeiten mit einer
Beugung des Oberkörpers aus der aufrechten Haltung um 90
Grad und mehr verstanden. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe
ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass im Falle des
Klägers die arbeits- technischen Voraussetzungen für die
Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO
erfüllt sind. Dies beruht insbesondere auf den Feststellungen
des TAD der Beklagten, die auch von den Beteiligten nicht in Zweifel
gezogen werden.
Es hat sich jedoch der ursächliche
Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers
einerseits und der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS andererseits
nicht feststellen lassen. Ein solcher Zusammenhang muss zwar nicht
nachgewiesen sein, er muss jedoch mit Wahrscheinlichkeit vorliegen.
Wahrscheinlich ist ein Zusammenhang dann, wenn bei Abwägung
der für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen diese
so stark über- wiegen, dass darauf die Überzeugung der
entscheidenden Stelle gegründet werden kann; die bloße
Möglichkeit genügt jedoch nicht (vgl. Meyer-Ladewig,
SGG, 6. Auflage 1998, § 128 Rdnr. 3). Hieran gemessen ist
im Falle des Klägers der Zusammenhang zwischen der beruflichen
Belastung und der bandscheibenbedingten Erkrankung nicht wahrscheinlich.
Denn diese stellt nicht mit Wahrscheinlichkeit die im Sinne des
Unfallversicherungsrechts wesentliche Bedingung für die Erkrankung
des Klägers dar. Nach dem im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung
geltenden Prinzip der wesentlichen Mitverursachung ist nur diejenige
Bedingung als ursächlich für einen Erfolg anzusehen,
die im Verhältnis zu anderen Umständen in ihrer besonderen
Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt
hat, d. h. der nach den Anschauungen des täglichen Lebens
die wesentliche Bedeutung für den eingetretenen Erfolg zukommt
(ständige Rechtssprechung des Bundessozialgerichts seit BSGE
1, 150, 156; siehe auch BSG SozR 2200 § 548 Nr. 13). Wesentlich
sind unter mehreren Bedingungen immer solche von derart überragender
Bedeutung, dass ihnen gegenüber die anderen Bedingungen in
ihrer Wirksamkeit in den Hintergrund treten (vgl. Kater/Leube,
SGB VII, vor §§ 7 bis 13, Rdnr. 46 m. w. N.). Hieran
gemessen stellt die berufliche Belastung, der der Kläger
ausgesetzt war, nicht mit Wahrscheinlichkeit die wesentliche Mitursache
für das Entstehen seiner Krankheit dar. Dies ergibt sich
aus allen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gewonnenen medizinischen
Erkenntnissen, insbesondere aber aus dem Gutachten des Arztes
für Orthopädie Dr. Z vom 19. Oktober 1999. Hiernach
sprechen Ausprägung, Lokalisation und das Erkrankungsbild
insgesamt gegen eine berufliche Verursachung der Lendenwirbelsäulenerkrankung
des Klägers. Die nachgewiesenen Veränderungen der Lendenwirbelsäule
hätten am Ort der schädigenden Einwirkung auftreten
und ausgeprägter sein müssen als in den anderen Wirbelsäulenabschnitten.
Die dokumentierten Veränderungen an der Lendenwirbelsäule
hätten der Altersnorm vorauseilen müssen. Außerdem
ist zu fordern, dass diese Veränderungen während bzw.
nach der lendenwirbelsäulenbelastenden Tätigkeit auftreten
oder sich verschlimmern. Darüber hinaus hätten konkurrierende
Verursachungsmöglichkeiten - etwa solche, die anlagebedingt,
tumorös ausgelöst, entzündlich, unfallbedingt oder
statisch verursacht sind - ausgeschlossen sein müssen. Dies
ist jedoch bei dem Kläger nicht fest- zustellen. Bei ihm sind
radiologisch nur Veränderungen in den Segmenten L4/L5 und
L5/S1 nachweisbar. Diese Veränderungen sind als altersent-
sprechend
einzustufen. Die Darstellung der Segmente proximal von L4 ist
altersentsprechend unauffällig. Bei langjähriger beruflicher
Exposition des Klägers mit Heben und Tragen schwerer Lasten
oder Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung hätten
bei einer vorwiegend beruflichen Verursachung die Segmente L1
bis L3 durch die vorhandene biomechanische Beanspruchung über
das Altersmaß hinaus verändert sein müssen. Gerade
dies aber war im Falle des Klägers auch durch die bildgebenden
Verfahren nicht nachweisbar. Die Lokalisation der Veränderungen
entsprechen deshalb nicht den Gegebenheiten der beruflichen Exposition
des Klägers. Die Veränderungen in den Segmenten L4/L5
und L5/S1 sind trotz der dort festzustellenden Schädigungen
noch als altersgemäß einzuschätzen, weil weit
über 90 % aller Bandscheibenveränderungen in der Bevölkerung
im Bereich der Lendenwirbelsäule in diesen beiden unteren
Segmenten auftreten, und zwar auch dann, wenn keine berufliche
Exposition, d. h. keine besondere berufliche Belastung, gegeben
ist. Darüber hinaus finden sich bei dem Kläger deutliche
Abnutzungserscheinungen im Bereich der Brustwirbelsäule mit
keilförmiger Deformierung sämtlicher Wirbelkörper
und weiteren Veränderungen. Diese entsprechen einem sogenannten
Residualzustand eines Morbus Scheuermann, d. h. an einer vom Kläger
durchlittenen Erkrankung, die unabhängig von der beruflichen
Exposition stattgefunden hat. Diese berufsunabhängigen Veränderungen
machen einen deutlichen Anteil an der Funktionsminderung der kombinierten
Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule aus und führen
deshalb insgesamt wesentlich mit zu den Beschwerden des Klägers.
Der Senat hat keine Zweifel,
dass der Sachverständige Dr. Z die medizinischen Befunde
zutreffend erhoben und aus ihnen die richtigen sozial-
medizinischen
Schlussfolgerungen gezogen hat. Der Sachverständige ist dem
Senat aus zahlreichen ähnlich gelagerten Verfahren als ein
besonders erfahrener und sachkundiger Arzt vertraut, der über
besondere Kenntnisse bei der Begutachtung von Wirbelsäulenleiden
verfügt und ein umfangreiches sozialmedizinisches Erfahrungswissen
einbringen kann. Darüber hinaus werden die Feststellungen
und Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. Z auch durch
den im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen
Prof. Dr. We und auch die bereits im Verwaltungsverfahren gehörten
Ärzte Be und Dr. S bestätigt. So hat insbesondere bereits
Prof. Dr. We darauf hinge- wiesen, dass bei einer beruflichen Verursachung
auch deutliche Veränderungen der Bewegungssegmente im oberen
und mittleren Abschnitt der Lendenwirbelsäule hätten
nachweisbar sein müssen, während im Falle des Klägers
nur die Segmente L4/L5 und L5/S1 betroffen waren. Im Hinblick
auf die Funktionseinschränkung lag sogar nur eine monosegmentale
Bandscheibenerkrankung vor, weil das Segment L5/S1 nur radiologisch
als geschädigt betrachtet werden konnte, aber noch keine
Funktionsauswirkungen zeigte. Auch hat der Sachverständige
Prof. Dr. We darauf hingewiesen, dass ein solcher Befund dem statistischen
Altersquerschnitt in der Bevölkerung entspricht und dass
darüber hinaus im Falle des Klägers anlagebedingte Abnutzungserscheinungen
im Bereich der Brustwirbelsäule gegeben sind, die einen erheblichen
Anteil an der Funktionsminderung der kombinierten Beweglichkeit
der Brust- und Lendenwirbelsäule des Klägers haben.
Diese Veränderungen, die der Sachverständige Prof. Dr.
We allgemein als anlage- bedingt bezeichnet hat, hat der Sachverständige
Dr. Z nunmehr auf eine bestimmte Erkrankung, nämlich einen
vom Kläger durchlittenen Morbus Scheuermann, zurückgeführt.
Gerade diese Präzisierung aber stellt nicht die Einschätzungen
der beiden Sachverständigen wechselseitig in Frage, sondern
unterstreicht lediglich, dass beide Sachverständige unabhängig
voneinander gezielte und sachgerechte Untersuchungen vorgenommen
haben und zu zutreffenden Schlüssen gelangt sind.
Die
von den Sachverständigen Dr. Z und Prof. Dr. We gezogenen
Schlussfolgerungen entsprechen auch den für die Unfallversicherung
allgemein anerkannten Begutachtungsmaßstäben. Insbesondere stehen sie
in Übereinstimmung mit der in der Literatur vertretenen Auffassung zur
Entstehung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule
(vgl. Pöhl/ Eilebrecht/Hax/Römer: „Zusammenhangsbeurteilung bei den
bandscheiben- bedingten Wirbelsäulenerkrankungen“ in: Die
Berufsgenossenschaft 1997, Seite 670; Baars/Bolm/Auldorf/Hittmann/
Stahlkopf: „Gewerbeärztliche Thesen zur Berufskrankheit 2108 unter
Berücksichtigung von Exposition, Krankheitsbild, Prävention,
Rehabilitation und Kompensation“ in: Verbandsmitteilung Vereinigung
deutscher staatlicher Gewerbeärzte e. V., Berlin, Arbeitsmedizin -
Sozialmedizin - Umweltmedizin 1997, Heft 12 Seite 480, jeweils mit
weiteren Nachweisen).
Die vorstehenden Schlussfolgerungen
werden auch nicht durch die Einschätzung des Dr. Sp in dessen
für das Landesinstitut für Arbeitsmedizin am 26. September
1994 erstatteten Gutachten erschüttert. Denn dieses Gutachten
entspricht nicht den vorgenannten allgemein anerkannten
Begutachtungsmaßstäben
in der gesetzlichen Unfallversicherung. Insbesondere setzt es
sich nicht mit den im Bevölkerungsquerschnitt vorhandenen,
altersbedingten allgemeinen Abnutzungserscheinungen und mit den
besonderen Charakteristika einer durch die berufliche Exposition
geschädigten Wirbelsäule aus- einander. Darüber hinaus
hat der Sachverständige Dr. Sp lediglich eine isolierte Betrachtung
der Lendenwirbelsäule vorgenommen und nicht die Tatsache
berücksichtigt, dass insbesondere die Brustwirbelsäule
des Klägers stark geschädigt ist, wenn auch durch eine
anlagebedingte und nicht durch eine berufsbedingte Erkrankung,
und damit auf die Gesamtstatik der Wirbelsäule einschließlich
der Lendenwirbelsäule maßgeblich einwirkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision war nicht
zuzulassen,
denn Revisionszulassungsgründe gemäß § 160
Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.