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Anerkennung einer Berufskrankheit

BK 2108 / BK 70/71 (DDR) sowie 2103, 2106, 2107, 2108 bis 2111, 2402

Beitrittsgebiet -
Berufskrankheiten der Wirbelsäule - Einbeziehung von Bescheiden

Landessozialgericht Berlin
Az.: L 2 U 89/99

Beschluss

in dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
g e g e n
Bau-Berufsgenossenschaft Hannover, Bezirksverwaltung Berlin, Hildegardstr. 28/30, 10715 Berlin
Beklagte und Berufungsbeklagte.

Der 2. Senat des Landessozialgerichts Berlin hat am 18. April 2000
durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht L i n d n e r ,
den Richter am Landessozialgericht D u m l i c h und
den Richter am Sozialgericht B o r n s c h e u e r beschlossen:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin
vom 9. August 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit.

Der am 1. Mai 1937 geborene Kläger war von September 1953 bis Januar 1966 im Beitrittsgebiet als Maurer und Hucker beschäftigt. Anschließend arbeitete er dort als Techniker bzw. Bauwirtschaftler bis Juni 1970. Vom 11. Juni 1970 bis 31. Dezember 1990 war der Kläger als Technologe im Bereich Baukalkulation/Projektierung bei dem VEB S in Berlin-Friedrichsfelde tätig. Am 8. März 1990 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich Verletzungen am rechten Arm zuzog. Mit am 8. November 1991 bei der Beklagten und am 16. Dezember 1991 bei der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (BG Chemie) eingegangener "Unfallanzeige" erstattete die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Berlin Anzeige nach § 1503 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) und meldete gleichzeitig ihre Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) an.

Mit Schreiben vom 14. März 1997 teilte die BG Chemie, die wegen des Unfalls vom 8. März 1990 als nach Anlage 1 Kap. VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 2 Buchst. aa Satz 2 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 - EinigVtr - (BGBl. II S. 889) zuständige Berufsgenossenschaft ein Feststellungsverfahren eingeleitet hatte, der Beklagten mit, ihr sei am 3. Dezember 1996 von dem Kläger eine ärztliche Anzeige über eine berufsbedingte Wirbelsäulenerkrankung übergeben worden, für die die Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei, weil die schädigenden Tätigkeiten nach den Angaben des Klägers bis 1966 nur in Baubetrieben verrichtet worden seien. Dem Schreiben war eine "Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit" des Arztes Dr. K vom 2. April 1996 beigefügt, in der es heißt, der Kläger leide an einer chronischen zervikalen Myelopathie C5, einer synonymen Immunsystemdysplasie, einer Vitalreduktion sowie einer belastungsbewegungsabhängigen Traumatisierung des Zentralnervensystems. Diese Erkrankungen beruhten auf den von dem Kläger von 1953 bis 1966 verrichteten Tätigkeiten (Huckerarbeit, Hand-Schlagbohr-Pressluftstemmen, Gerüstbauen). Sie seien als Berufskrankheiten nach Nrn. 2106, 2108 bis 2110, 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) anzuerkennen. Am 3. April 1996 war bei dem Landesinstitut für Arbeitsmedizin eine Anzeige über eine Berufskrankheit des Dr. K wegen einer "bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS" eingegangen.

In dem daraufhin von der Beklagten eingeleiteten Verwaltungsverfahren wurden den Kläger betreffende medizinische Unterlagen beigezogen und Ermittlungen bezüglich seiner beruflichen Belastungen durchgeführt. Hierbei kam der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten zu dem Ergebnis, dass der Kläger "bei seinen Tätigkeiten in unserem Mitgliedsbetrieb 30 % seiner Arbeitszeit über das normale Maß eines Maurers hinaus wirbelsäulen- belastend tätig war". Der TAD der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft äußerte in seinen Stellungnahmen vom 4. November 1997 und 7. Januar 1998 die Auffassung, der Kläger sei in den Zeiten von Dezember 1963 bis Januar 1966, als er auf einem "Schonplatz" eingesetzt gewesen sei, sowie von 1970 bis 1990, als er in seiner Eigenschaft als Technologe Bürotätigkeiten verrichtet habe, keinen Beschäftigungen nachgegangen, die geeignet gewesen wären, eine der von ihm geltend gemachten Berufskrankheiten (Nrn. 2106 bis 2111 sowie 2402) zu verursachen oder zu verschlimmern.

Die BG Chemie lehnte die Anerkennung der Berufskrankheiten Nr. 2402 (Erkrankungen durch ionisierende Strahlen) durch Bescheid vom 16. Oktober 1997 und Nrn. 2109, 2110 (Wirbelsäulenschäden durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter bzw. durch Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen) durch Bescheid vom 19. Februar 1998 ab.

Durch Bescheid vom 25. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO ab. Nach Art. 2 Abs. 2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18. Dezember 1992 (2. ÄndVO) sei eine solche Berufskrankheit nur rückwirkend anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten sei. Das sei bei dem Kläger nicht der Fall, weil er alle wirbel- säulenbelastenden Tätigkeiten bereits 1966 aufgegeben habe.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 21. April 1998 Klage erhoben. Er hat im Laufe des Klageverfahrens die Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankungen nach der Berufskrankheit Nr. 70 der Berufskrankheiten-Liste der ehemaligen DDR (Verschleißkrankheiten der Wirbelsäule durch langjährige mechanische Überlastungen) sowie die Gewährung von Leistungen aufgrund weiterer Berufskrankheiten der Anl. 1 zur BKVO beantragt. Das Sozialgericht hat den Kläger mehrfach darauf hingewiesen, dass nur eine Entschädigung wegen der Berufskrankheit Nr. 2108 streitig und eine Erweiterung der Klage nicht sachdienlich sei. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 9. August 1999 erklärt, dass sie einer Klageerweiterung nicht zustimme. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKVO eine Verletztenrente zu gewähren, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung Nr. 70/71 der Liste der Berufskrankheiten der DDR eine Verletztenrente zu gewähren und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung von Berufskrankheiten nach Nr. 2103, 2106, 2107, 2109, 2110 und 2111 der Anlage zur BKVO eine Verletztenrente zu gewähren.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. August 1999 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit mit ihr die Gewährung einer Verletztenrente unter Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 70/71 der Liste der Berufskrankheiten der DDR begehrt werde, weil es an einer bescheidmäßigen Entscheidung über dieses Begehren fehle. Der Bescheid vom 25. Februar 1998 betreffe allein eine Entscheidung über die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKVO. Die Klage sei auch unzulässig, soweit mit ihr die Gewährung einer Verletztenrente unter Anerkennung von Berufskrankheiten nach Nr. 2103, 2106, 2107, 2109, 2110 und 2111 der Anlage zur BKVO begehrt werde. Insoweit liege eine Klageänderung im Sinne des § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor, die unzulässig sei, weil die Beklagte nicht zugestimmt habe und die Klageerweiterung nicht sachdienlich erscheine.

Soweit der Kläger Entschädigung wegen der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKVO begehre, sei die zulässige Klage nicht begründet. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme - unter Berücksichtigung der von der Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen - seien Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht ersichtlich. Selbst der den Kläger seit 1995 behandelnde Arzt Dr. K habe in seinem Befundbericht die Frage nach der Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule verneint; es bestünden nur die das altersübliche Maß übersteigenden Verschleißerscheinungen im Bereich L 2 bis 4 und 5 im Sinne einer Osteochondrose und Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule. Darüber hinaus scheitere die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 an der Rückwirkungsklausel des Art. 2 Abs. 2 der 2.ÄndVO, weil der Versicherungsfall, wenn eine band- scheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorläge, mit der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit im Jahre 1966 eingetreten wäre, also vor dem 1. April 1988.

Gegen das am 21. Oktober 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger (bereits) am 14. September 1999 Berufung eingelegt und sein im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachtes Klagebegehren weiterverfolgt.

Durch Bescheid vom 25. Januar 2000 hat die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 70 der Berufskrankheiten- Liste der ehemaligen DDR mit der Begründung abgelehnt, eine Berufskrankheit sei ihr erstmalig mit der BK-Anzeige des Dr. K vom 2. April 1996 gemeldet worden, so dass die Anerkennung einer Berufskrankheit nach dem Recht des Beitrittsgebiets gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO ausgeschlossen sei.

Der Kläger hat hierzu einen Schriftsatz vom 17. Februar 2000 eingereicht, in dem er erklärt, er erhebe gegen den Bescheid vom 25. Januar 2000 Widerspruch und "Beschwer zum Berufungsverfahren".

Mit Schreiben vom 8. März 2000 ist dem Kläger vom Senat mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückzuweisen. Daraufhin hat er mit am 29. März 2000 eingegangenen Schreiben vom 20. März 2000 u.a. eine Kopie des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29. Februar 2000 übersandt, durch welchen sein Widerspruch gegen den seinen Antrag auf Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2106 der Anl. 1 zur BKVO ablehnenden Bescheid vom 7. September 1999 zurückgewiesen worden ist.

Er begehrt die Einbeziehung der genannten Bescheide im Wege der "Beschwer- und Erweiterungsklage" in den hiesigen Rechtsstreit.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. August 1999 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1998, des Bescheides vom25. Januar 2000 sowie des Bescheides vom 7. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000 die Beklagte zu verurteilen, ihm

1. unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO eine Verletztenrente zu gewähren,

2. unter Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung nach Nr. 70/71 der Liste der Berufskrankheiten der DDR eine Verletztenrente zu gewähren und

3. unter Anerkennung von Berufskrankheiten nach Nrn. 2103, 2106, 2107, 2109, 2110 und 2111 der Anlage 1 zur BKVO Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 5. April 2000 hat der Senat den Kläger nochmals auf seine Absicht hingewiesen, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss seine Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Der den Kläger betreffende Verwaltungsvorgang der Beklagten lag dem Senat bei der Entscheidung vor.

II.

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er die Berufung einstimmig nicht für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Durch den Antrag des Klägers auf Fristverlängerung vom 11. April 2000 war der Senat an einer Entscheidung nach Ablauf der mit Schreiben vom 5. April 2000 gesetzten Frist nicht gehindert. Es ist nicht nachvollziehbar, dass es dem Kläger wegen seiner Schwerbehinderung nicht möglich gewesen sein soll, innerhalb der ihm gesetzten Frist Stellung zu nehmen, zumal er mit Schreiben vom 20. März 2000 umfassend vorgetragen hatte. Dass er nach Erhalt des gerichtlichen Schreibens vom 5. April 2000 durch eine akute Erkrankung an einer (weiteren) Stellungnahme innerhalb der Frist gehindert gewesen ist, ist von ihm nicht geltend gemacht worden. Hiergegen spricht sein Erscheinen auf der Rechtsantragstelle am 11. April 2000.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1998, durch den sie den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Entschädigung wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO abgelehnt hat. Der im Laufe des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 25. Januar 2000, durch den die Beklagte entschieden hat, dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch wegen einer Berufskrankheit nach Nr. 70 der Berufskrankheiten-Liste der ehemaligen DDR zu, ist, ebenso wie der seinen Antrag auf Leistungen aufgrund der Berufskrankheit Nr. 2106 ablehnende Bescheid der Beklagten vom 7. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000, nicht gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits geworden, weil diese Verwaltungsakte den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 1998 weder abändern noch ersetzen. Eine Änderung im Sinne des § 96 Abs. 1 SGG liegt vor, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt durch den neuen teilweise aufgehoben und durch eine Neuregelung ersetzt wird; eine Ersetzung ist gegeben, wenn der neue Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (vgl. Meyer- Ladewig, Komm. zum SGG § 96 Rz. 3 m.w.N.).

In dem vorliegenden Fall rechtfertigt auch der Gedanke der Prozessökonomie nicht die Einbeziehung der genannten Verwaltungsakte in den Rechtsstreit, weil diese andere Streitgegenstände betreffen und ein Zusammenhang mit dem durch den Bescheid vom 25. Februar 1998 geregelten Streitstoff, der bei weiter Auslegung der Vorschrift eine Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG geboten erscheinen lassen könnte, nicht zu bejahen ist.

Bezüglich des Bescheides vom 25. Januar 2000 reicht hierfür der Umstand, dass der Kläger Entschädigungsleistungen aufgrund seines Rückenleidens geltend macht, das er sich während seiner Tätigkeit als Maurer/Hucker von 1953 bis 1966 zugezogen haben will, nicht aus. Die Anforderungsprofile beider Berufskrankheiten weichen nicht unerheblich voneinander ab. Während die Berufskrankheit Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKVO eine "bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule" erfordert, setzt die Berufskrankheit Nr. 70 der DDR "Verschleißerkrankungen der Wirbelsäule (Bandscheiben, Wirbel- körperabschlussplatten, Wirbelfortsätze, Bänder, kleine Wirbelgelenke)" voraus. Während für die Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 die Fach-Berufsgenossenschaft zuständig ist (hier wegen der Tätigkeit als Maurer/Hucker die Beklagte), könnte für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 70 der Berufskrankheiten-Liste der DDR nach Anl. 1 Kap. VIII Sachg. I Abschnitt III Buchst. aa Satz 2 i.V.m. Buchst. ff EinigVtr auch die Zuständigkeit der BG Chemie als sogenannter "Geburtstags-Berufsgenossenschaft" gegeben sein. Das wäre der Fall, wenn die Berufskrankheit spätestens bis zum 31. Dezember 1994 angezeigt worden wäre.

Es liegen unterschiedliche Versicherungsfälle mit unterschiedlichen Anforderungsprofilen vor, die möglicherweise von verschiedenen Berufsgenossenschaften zu bearbeiten wären und die wegen der unterschiedlichen Berechnung des jeweiligen Jahresarbeitsverdienstes Leistungen in unter- schiedlicher Höhe auslösen würden. Aus diesen Gründen fehlt es an einem Sachzusammenhang, der im Wege extensiver Auslegung die Einbeziehung des Bescheides vom 25. Januar 2000 nach § 96 Abs. 1 SGG ermöglichen würde. Dasselbe gilt auch für die durch den Bescheid vom 7. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000 erfolgte Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach der Berufskrankheit Nr. 2106 (Drucklähmungen der Nerven), so dass auch diese Verwaltungsakte nicht kraft Gesetzes Gegenstand des Rechtsstreits geworden sind.

Das Urteil des Sozialgerichts hält einer rechtlichen Überprüfung in vollem Umfang stand. Es hat zu Recht die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen, als der Kläger die Anerkennung der Berufskrankheiten Nr. 70 und 71 der Berufskrankheiten-Liste der DDR sowie der Nrn. 2103, 2106, 2107, 2109, 2110 und 2111 der Anlage 1 zur BKVO und die Gewährung von Verletztenrenten beantragt hatte.

Wie bereits dargelegt wurde, betrifft der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 25. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1998 (nur) die Ablehnung einer Entschädigung wegen der Folgen der Berufskrankheit Nr. 2108. Die Einbeziehung anderer Berufskrankheiten in den hiesigen Rechtsstreit wäre, unabhängig davon, ob von der Beklagten bzw. der BG Chemie bereits Feststellungsbescheide erlassen wurden (zu den Berufskrankheiten Nrn. 2109 und 2110 Bescheid der BG Chemie vom 19. Februar 1998; zu Nr. 2111 Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 1998), nur im Wege einer Klageänderung im Sinne des § 99 SGG möglich. Sie ist nach dessen Abs. 1 nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 9. August 1999 einer Klageerweiterung ausdrücklich widersprochen. Sie hat sich im Berufungsverfahren auf die Klageänderung nicht eingelassen (§ 99 Abs. 2 SGG). Der Senat folgt der Auffassung des Sozialgerichts, dass eine Erweiterung der Klage auf eine oder mehrere Berufskrankheiten nicht sach- dienlich ist. Der Auffassung des Klägers, dass alle von ihm geltend gemachten Berufskrankheiten in einem Gesamtzusammenhang stehen, ist nicht zu folgen. Er verkennt, dass jede Berufskrankheit, wie auch jeder Arbeitsunfall, einen eigenständigen Versicherungsfall und demzufolge eigenständige Leistungsansprüche gegen die jeweils zuständige Berufsgenossenschaft auslöst. Die aufgrund von Berufskrankheiten-Anzeigen einzuleitenden Feststellungsverfahren sind voneinander unabhängig und speziell auf das Anforderungsprofil der einzelnen Berufskrankheit ausgerichtet. Es sind unterschiedliche Voraussetzungen zu beurteilen und unterschiedliche Lebenssachverhalte zu ermitteln. Allein dies schließt die Sachdienlichkeit der vom Kläger begehrten Klageerweiterung aus. Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die von dem Kläger in dem Schreiben vom 20. März 2000 begehrte Einbeziehung des die Ablehnung der Berufskrankheit Nr. 2106 betreffenden Bescheides vom 7. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2000, so dass auch hierüber eine Entscheidung des Senats in der Sache nicht möglich ist.

Nicht zu beanstanden ist das Urteil des Sozialgerichts vom 9. August 1999 auch, soweit es die Klage insoweit als unbegründet abgewiesen hat, als unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKVO Verletztenrente begehrt wurde. Es kann offen bleiben, ob, was das Sozialgericht nach Auswertung der medizinischen Unterlagen verneint hat, bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vorliegt sowie ob, was für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 erforderlich wäre, eine solche Erkrankung im Jahre 1966 zur Aufgabe der bis dahin ausgeübten wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten als Maurer/Hucker geführt hatte. Unterstellt man dies zugunsten des Klägers, geht man also davon aus, er habe von 1953 bis 1966 im Sinne der Nr. 2108 wirbelsäulenbelastend gearbeitet und diese Tätigkeit dann wegen der bandscheiben- bedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule aufgegeben, stünde einer Anerkennung dieses Leidens als Berufskrankheit nach Nr. 2108 die Rückwirkungsregelung des Art. 2 Abs. 2 der 2. ÄndVO entgegen, wonach eine solche Berufskrankheit nur rückwirkend anzuerkennen ist, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 6; Urteil vom 19. Januar 1995 - 2 RU 14/94 -), der sich der erkennende Senat angeschlossen hat (Urteile vom 28. Oktober 1997 - L 2 U 8/97 und L 2 U 16/97), und an der er nach erneuter Prüfung festhält, ist die in Art. 2 Abs. 2 der 2. ÄndVO enthaltene begrenzte Einbeziehung früherer Versicherungsfälle in den Versicherungsschutz nicht nur von der Ermächtigung des § 551 Abs. 1 RVO gedeckt, sondern auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Hiernach steht dem Kläger kein Anspruch auf Leistungen aufgrund der Berufskrankheit Nr. 2108 zu. Seine Berufung musste daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


 

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